Sonntag, 19. Juli 2015

Improvisationen in Zwangsjacke

Laut FAZ ist 2015 das Jahr von Cordula Stratmann. Gleich mit zwei Serien steht sie freitags am Start. In der ARD mit „Die Kuhflüsterin“ im Vorabendprogramm und im ZDF mit „Ellerbeck“ in der Late Night. Wenn das kein Grund zur Freude ist…

Schließlich brillierte Stratmann in der Improvisationsunterhaltungsserie „Schillerstraße“ und erlangte damit bundesweite Berühmtheit. In „Schillerstraße“ war Stratmann spontan, schlagfertig und urkomisch. Doch zwischenzeitig wurde sie schwanger, gebar ein Kind, nahm Mutterschutz sowie Kreativpause und stieg bei „Schillerstraße“ aus. Sie konnte es sich erlauben, und es sei ihr auch absolut gegönnt.

2010 kehrte sie mit „Wir müssen reden!“ zurück. Diese Sendung floppte, ganz unergründlich. Und nun also der Doppelschlag mit „Die Kuhflüsterin“ und „Ellerbeck“. Zumindest tun ARD und ZDF etwas, um ihren Star zu hypen. Und das ist das Einzige, was wirklich richtig zündet.

Zuerst „Die Kuhlüsterin“: In dieser ARD-Vorabendserie spielt Stratmann die Tierheilpraktikerin Bellinda Mommsen, eine alleinerziehende Mutter und Öko-Tante aus dem fiktiven Ort Oberbreitbach irgendwo im südlichen Rheinland. Dort behandelt sie treffsicher Tiere und sehr oft auch Menschen. Letzteres sorgt für regelmäßigen Ärger mit der zuständigen Ordnungsdezernentin Edith Merkes. Aber egal, das Leben hat ja noch mehr zu bieten. So etwa den ansehnlichen Polizisten Winfried „Winnes“ Wöllner vom BKA, der früher Personenschützer war und danach strafversetzt wurde. Und zwar nach Oberbreitbach, wo er sogenanntes Home Office macht. Wie das effektiv funktionieren soll, bleibt in der Serie offen. So ist Wöllner vielmehr ständig damit befasst, zu trainieren, sein Haus einzuräumen, etwas zu reparieren und in der Kneipe zu sitzen. Doch tatsächliche Polizeiarbeit sieht man ihn nie verrichten. Scheinbar ist das die tatsächliche Arbeit beim BKA. So zumindest wird es in der Serie vermittelt. Jedenfalls verbindet Wöllner und Mommsen eine Hassliebe, schließlich hat Wöllner einen Drittel des Stalls von Mommsen einverleibt. Denn der Stall steht zu diesem gewissen Anteil auf seinem Grund und Boden. Somit hat Mommsens Kuh namens „Mutti“ keine trockene, warme Unterkunft mehr und muss draußen stehen. Dass das Rindvieh von Mommsen „Mutti“ heißt, ist aber auch der einzige Lacher in der ganzen Sendung. Zumindest bislang.

Denn bisher liefen nur sechs der insgesamt acht Folgen und man fragt sich, was noch kommen wird. Zwar haben die Charaktere ein Mindestmaß an Tiefgang, zumindest für eine ARD-Vorabendserie. Doch das allein hilft auch nicht weiter, wenn der Sinn der Sendung ausgespart bleibt. Wird also Bellinda Mommsen ihren Winnes Wöllner kriegen? Man weiß es nicht. Auf alle Fälle wird es nicht allzu viele Lacher geben, denn dazu waren die bisherigen Folgen viel zu lahm. Doch es bleibt ja noch Freitag, der 24. Juli 2015. Denn dann werden die letzten beiden Folgen ausgestrahlt.

Und nun „Ellerbeck“: Obwohl die Serie beim ZDF noch nicht wirklich an den Start ging, gibt es bereits alle Folgen in der Mediathek. Somit muss man nicht bis Freitag, den 24. Juli 2015, warten. Diese Serie weißt gewisse Parallelen zu Stratmanns ARD-Serie auf. Wieder einmal ist Stratmann Öko. Sie spielt die Kindergärtnerin Sabine Ebert und engagiert sich als Aktivistin einer Öko-Bürgerinitiative im fiktiven Ort Ellerbeck im Emsland. Zwar gab es irgendwann einmal einen Ort namens Ellerbeck, doch der lag im Osnabrücker Land und wurde eingemeindet. Na ja…

Jedenfalls wird sie durch Zufall Bürgermeisterin ihres Ortes. Weil die Mitbürger keinen Schweinemastbetrieb in ihrer Kleinstadt haben wollten, weil ihre Freundin schwanger wurde, und weil sie vor versammelter Mannschaft ein Kinderlied mit dem kleinen Quintus sang. Der arme, kleine Quintus weinte nämlich auf einer Versammlung, weil die gute Ebert ihre bisherige Tätigkeit für das Bürgermeisteramt aufgeben wollte. Dadurch gewann Ebert mit einem hauchdünnen Vorsprung die Wahl und wurde entgegen aller Erwartungen sowie Bekräftigungen Bürgermeisterin. Wo gibt es das sonst als in Ellerbeck?

Fortan musste sich Ebert mit dem Baustopp des Schweinemastbetriebs herumschlagen, ihr Privatleben besser organisieren und sich Angriffen ihres verhassten Vorgängers erwehren. Alles meisterte sie gut, obwohl „Politik ein dreckiges Geschäft ist“. War Ebert anfangs noch unbeholfen, wuchs sie immer mehr und wurde letzten Endes Cordula Stratmann, wie sie immer ist. Wow, was für eine Wandlung.

Die Serie ist eine misslungene Mischung aus „Stromberg“, „Neues aus Büttenwarder“ und der dänischen Serie „Borgen“. „Stromberg“, weil die Serie wie ein fiktives Porträt mit manchmal irrsinnigen Statements gehalten ist. „Neues aus Büttenwarder“, weil es in Norddeutschland der dummen Leute spielt. Und „Borgen“, weil es um Macht geht. Allerdings wachsen die Charaktere nicht mit der Macht. Sie werden dadurch auch nicht korrumpiert, wie es so üblich ist. Sie bleiben einfach die guten Ökos, die sie immer waren. Immer gegen Massentierhaltung, Spießertum und Konservativismus. Dagegen sind sie scheinbar irgendwie für ökologische Tierhaltung, Umweltschutz, Tierschutz, Kinderbetreuung und einen frischen Wind. Sie hegen auch irgendwie Sympathien für Griechenland, dem europäischen Traumziel aller Hippies. Und so hat eine Nebendarstellerin eine Liebschaft mit einem griechischen Jüngling, der aussieht wie Dschochar Zanajew, den Attentäter auf den Boston-Marathon. Das ist alles.

Allerdings offenbart diese Serie die negativen Knackpunkte der hiesigen Grünenbewegung. Sie gerieren sich als links, doch verändern wollen sie nichts. Sie versprechen alles und stehen vor Problemen. Alle trinken lieber Wein als ein gepflegtes Bier. Sie bekämpfen Schweinemast, um anschließend den großen Gyrosteller zu bestellen. Sie verteufeln Luxushotels, um klammheimlich das Wellness-Programm zu genießen. Sie sind für Windkraft, solange der nicht vor der eigenen Haustür produziert wird. Sie verteufeln den Konservativismus, um sich dennoch mit Wirtschaftsberatern von McKinsey zu verbünden. Und dann sind sie gegen Migranten, wenn diese ihnen den Arbeitsplatz wegnehmen. Doch am Ende ist ja immer alles gut und war alles richtig.

Doch in „Ellerbeck“ erkennt man nicht nur Elemente aus „Stromberg“, „Neues aus Büttenwarder“ und „Borgen“ wieder. Ein bisschen erinnert „Ellerbeck“ auch an die US-Serie „30 Rock“. Der Öko-Lehrer, der sich so ungern wäscht und trotzdem öko fühlt, erinnert rein äußerlich an Frank Rossitano. Allerdings ähneln sich Rossitano und der Ehemann von Ebert charakterlich eher. Der Vorgänger im Bürgermeisteramt weist irgendwie Ähnlichkeiten zu Jack Donaghy auf, obwohl er keine Freundschaft zu Ebert pflegt. Die Wirtschaftsberaterin wirkt irgendwie Jenna Maroney. Und überhaupt scheint Ebert, Liz Lemon, gespielt von Tina Fey, nachempfunden zu sein.

Und so sehr es vielleicht auch Ähnlichkeiten gibt, so sehr unterscheiden sich auch beide Serien. Zwar sind Stratmann und Fey verdammt lustig, wenn es darauf ankommt. Doch „30 Rock“ ist unterhaltsamer und schneller. Dagegen fragt man sich bei „Ellerbeck“, wie lange die Folge noch geht, und wundert sich, dass erst fünf Minuten vergangen sind. „Ellerbeck“ entführt in eine Welt, in der schon alles gesagt worden und alles klar ist. Das macht es so langweilig. Durch ein festes Drehbuch ist Stratmann festgelegt. Es fehlt die Spontanität. Und so ist es nicht sehr unterhaltsam, als Ebert und Klaus ihre Rolle als Schützenkönigspaar üben und parodieren. Es ist allzu vorhersehbar. Dagegen wirkt „30 Rock“ immer wieder spontan, auch wenn man sich die Folgen immer wieder neu ansieht. So etwa, als Liz Lemon ihren Freund und Chef Jack Donaghy aus der Klemme hilft, indem sie auf die Bühne eilt und schlechte Witze erzählt, um dann die Bluse zu öffnen. Urkomisch. „30 Rock“ ist wohl das Maß der zeitgenössischen TV-Unterhaltung. Doch nicht jedem deutschen Versuch gelingt es, eine entsprechende Serie nachzuempfinden. „Ellerbeck“ ist zwar etwas humorvoller als „Die Kuhflüsterin“, aber stinkend langweilig.

Trotzdem ähneln sich beide Komikerinnen sehr. Ihre Fernsehkarriere begann spät, und sie sind keine Schauspielerin. Und das ist dann auch vielleicht der Grund, weshalb es bei „Die Kuhflüsterin“ nicht zum Kuss zwischen Mommsen und ihrem Polizisten kommen wird. Aber egal, eine Fortsetzung von „Die Kuhflüsterin“ oder „Ellerbeck“ wird es hoffentlich eh nicht geben.

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