Sonntag, 19. Juli 2015

Die Schwierigkeiten mit dem guten Willen



In linken Kreisen ist die Erkenntnis gereift und weit verbreitet, dass wir in einer Dumpinglohn- und Billigpreisgesellschaft leben. Das ist natürlich richtig. Alles soll billig sein, um wettbewerbsfähig zu sein. Die Produkte, die man im Supermarkt kauft, sollen billiger als bei der Konkurrenz sein. Doch das führt dazu, dass ausländische oder heimische Leiharbeiter, Werkvertragsnehmer oder andere Niedriglohnempfänger die Güter produzieren. Schließlich lassen sich nur noch dadurch Gewinne erzielen. Und das auf Kosten der Arbeitnehmer. Das Verrückte dabei ist, dass einerseits dieses Prekariat auf ihre eigenen Produkte zurückgreift und damit den Preisdruck befeuert, weil sie sich keine teureren Produkte leisten können. Und anderseits gehen selbst besser situierte Kunden ein Bündnis mit den Billiganbietern ein und befeuern damit zusätzlich die Preisspirale nach unten. Das ist alles vollkommen normal und menschlich. Jeder will sich neben der Befriedigung der Grundbedürfnisse noch einen anderen Luxus leisten können. Man lebt eben nicht nur für Arbeit und Regeneration, sondern auch für das Schöne im Leben. Und da ist alles Billige recht.

Jedoch beginnen die Schwierigkeiten, wenn man sich gegen die Preisspirale nach unten stellen will. Aldi, Lidl, Netto – zu billig und ausbeuterisch. Also Edeka und Rewe? Das ist auch nicht die bessere Lösung, wie der SPIEGEL mit seinem Artikel „Super Image, super Bluff“ (30/2015) aufdeckt. Anhand von Edeka wird nachgewiesen, wie Deutschlands größter Lebensmittelhändler die Preise auf seine Waren drückt, gleichzeitig Betriebsräte auflaufen lässt und oftmals den Mindestlohn umgeht. Man kann also bei Edeka nicht sein Gewissen erleichtern und zu vernünftigen Preisen einkaufen. Das Aldi-/Lidl-Prinzip findet also auch bei Edeka Anklang. Eigentlich hätte das längst offensichtlich sein müssen, wenn man sich die Edeka-Tochter Netto vor Augen führt. Dort herrschen seit Jahren elendige Bedingungen. Betriebsräte haben es bei Netto absolut nicht leicht, gleichzeitig unterliegt Netto dem Kostendruck. So ist es halt bei Discountern. Dafür stehen sie. Billige Preise, schlechte Arbeitsbedingungen.

Doch der Gang zur teureren Konkurrenz bringt oftmals auch nicht die erhoffte Erleichterung. Vergleicht man manche Preise, stellt man fest, dass sich selbst Marken-, Bio- oder heimische Produkte preislich auf dem gleichen Niveau wie beim Discounter bewegen. Edeka ist damit eben nicht einfach teurer und somit besser.

Ein anderes Problem geht trotz Erkenntnis vieler linker Kunden einher. Sie erkennen zwar die gesellschaftlichen Missstände, jedoch kaufen sie weiterhin am liebsten preisgünstig ein. Auch wenn sie etwas besser verdienen. Das verdeutlicht den miserablen Stand der Solidarität. Ging Karl Marx noch von einer zwangsläufigen Brüderschaft unter den Arbeitern aus, zeigt sich heute, wie sehr diese mittlerweile aufgebrochen ist.

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