Samstag, 2. Mai 2015

Intelligenztests und ihre Fehlerhaftigkeit



Knapp zwei Wochen ist es her, da hatte ich eine Bildungsveranstaltung der ver.di zum Thema Gedächtnistraining. Viele Kollegen schwärmten davon, also meldete ich mich auch ‘mal an. Was habe ich schon zu verlieren? In ver.di bin ich eines der jüngeren Mitglieder, insofern dürfte es um mein Gedächtnis ganz gut stehen. Also ab zum Seminar.

Dort angekommen ging es auch gleich los. Zu Beginn gab es einen Test bei dem 15 Begriffe genannt worden sind, die man sich alle merken sollte. Um etwas Verwirrung zu schaffen, wurden danach kleine Rechenaufgaben gemacht. Anschließend sollten wir die Begriffe aufschreiben. Ich schaffte elf und lag damit auf Platz zwei. Die Kollegin, die zwölf schaffte und damit vor mir lag, hatte jedoch an der Mathe-Aufgabe nicht teilgenommen, weil sie sich der Mathematik grundsätzlich verweigerte, wie sie selbst erklärte. Aber so ist es eben. Nach diesem ersten Durchlauf wurden 15 Begriffe genannt und als Wort auf einer Karte hochgehalten. Und nun gab es auch wieder Rechenaufgaben. Die Sache lief nicht ganz so gut für mich, weil ich Abweichungen zwischen genannten und gezeigten Worten befürchtete und deshalb nur sechs Worte mir merkte. Ein Fehler meinerseits. Nach diesem kleinen Rückschlag wusste ich, dass es im dritten Durchgang dieses Tests ehrlich ablaufen wird. Es wurde also kein Begriff genannt, der nicht auf stimmte. So wurden Sachen hoch gehoben und mit einem Namen benannt. Nach einer kurzen Rechnerei schaffte ich wieder elf Treffer. Und lag auf einer guten Position. Zwar nicht auf Platz eins, aber zumindest weit vorn auf Platz zwei.

Der zweite Test sah vor, dass man aus folgender Tabelle so viele Worte bildet, wie möglich. Jedoch sollten die Worte eine Mindestlänge von vier Buchstaben sowie den Buchstaben A aufweisen. Eigentlich ganz leicht. Ich schaffte zwar auch nicht alle Kombinationen, doch zumindest mehr als die anderen Kursteilnehmer. Damit lag ich auf Platz eins, gleichauf mit der Kollegin, die im ersten Test besser abschnitt als ich.

P M F
T A K
T
R
O

Der dritte Test sah vor, dass man anhand der folgenden Figur zählt, wie viele Quadrate man erkennt. Leider hatte ich vier zu wenig erkannt. Doch zumindest hatte ich die meisten. Kein anderer Teilnehmer hatte genauso viele oder mehr als ich. Damit war ich nun auf Platz eins.


Doch es gab noch einen weiteren Test. Auf einem Blatt standen dafür 63 Zahlen. Darunter ein- bis fünfstellige Zahlen. Innerhalb kürzester Zeit sollte man alle Zahlen unterstreichen, die durch drei teilbar sind. Für Verwirrung sorgte ein Kollege, der ganz schnell war und meinte, dass alle Zahlen durch drei teilbar wären. Eigentlich richtig. Da jedoch keine gebrochenen Zahlen auf dem Blatt standen, haben die meisten diese Lösung des Kollegen als falsch ausgeschlossen. So sollte die Aufgabe eher lautet: „Unterstreichen Sie so schnell wie möglich alle Zahlen, die durch 3 teilbar sind und keinen Rest aufweisen.“ Und unter dieser Aufgabenstellung habe ich als Erster mit großem Vorsprung, die Aufgabe gelöst. Ein kleiner Trick von mir: Ist die Quersumme einer Zahl durch drei teilbar, ist die Zahl auch durch drei teilbar. Und diese Hilfestellung kann man sich merken, denn die Frage wird nie lauten, wie viele Zahlen durch eins, zwei, vier, fünf, sechs, sieben oder noch größeren Zahlen teilbar sind. Schließlich sind alle graden Zahlen und die Eins zu einfach, die Fünf zu offensichtlich, und ab sechs sind alle weiteren Zahlen zu groß und unübersichtlich. Na ja, so ist es nun einmal. Auch diese Aufgabe habe ich richtig gelöst und brauchte nicht wie die anderen Teilnehmer vorgehen, indem ich mir zuerst die leichtesten Zahlen herauspicke.

Zum Schluss gab es noch eine Hausaufgabe, die ich an einem der folgenden Tage binnen 15 Minuten gelöst hatte. Vermutlich sogar als Einziger. Jedenfalls war meine Lösung fehlerlos. Die Aufgabenstellung dazu lautete folgendermaßen:

„Finden sie die richtige Zuordnung heraus:

1. Wie heißen die Freunde?
2. Wer übt welchen Beruf aus?
3. Welchen Berufswunsch hatten sie als Kinder?
4. Welches Hobby begeistert sie noch heute?

Name
Beruf
Hobby
Berufswunsch als Kind





















Hinweise zur Lösung:

1. Sven, der mit Freunden gern Posaune spielt, wollte früher Fußballspieler werden und ist nicht der Physiotherapeut, der in seiner Freizeit Leadsänger ist.
2. Der Hobbysegelflieger wollte früher Astronaut werden.
3. Der Tennisspieler ist nicht Claudio, der von Beruf Lehrer ist.
4. Stefan, der früher Opernsänger werden wollte, liebt nicht Flamenco.
5. Hendrik ist von Beruf Informatiker.
6. Der Personalberater, der früher Tierarzt werden wollte, heißt weder Stefan noch Sven.
7. Stefan ist nicht Bibliothekar und wollte nicht früher Polizist werden.
8. Derjenige, dessen Kindheitstraum Fußballer war, liebt Flamenco und heißt nicht Lukas.“

Diese Aufgaben sind alle machbar sowie lösbar und ähneln sehr stark Intelligenztests. Doch was sagen solche Tests über einen aus? Die Kollegen im Kurs schnitten allesamt überhaupt nicht schlecht ab und erzielten gute bis durchschnittliche Ergebnisse. Sind die Kollegen deswegen dümmer als ich, oder bin ich weitaus schlauer als viele andere Menschen? Zumindest sind die Kollegen überhaupt nicht dümmer als ich, vielleicht habe ich nur ein paar mehr FLOPS (Floating Point Operations per Second, also die Maßeinheit zur Berechnung der Leistungsfähigkeit von Computern) aufgrund stärkerer neuraler Verknüpfungen als sie. Jedoch haben meine Kollegen aus dem Kurs andere Fähigkeiten und weitaus mehr Erfahrungen. Da wäre es für mich als junger Spund ein Einfaches, auf die vermeintliche Unterlegenheit älterer Menschen hinzuweisen. Denn dem ist nicht so. Es ist nicht nur so, dass ältere Kollegen über mehr Erfahrungen verfügen. Sondern es ist so, dass es älteren Menschen nicht so einfach gemacht wird, intelligent zu sein.

Die Formel zur Ermittlung des Intelligenzquotienten setzt sich folgendermaßen zusammen:


Eine schöne, aber viel zu einfache Formel. Die 100 kann man streichen, weil sie vollkommen überflüssig ist. Und dann erkennt man, dass der Bruch aus Intelligenzalter und Lebensalter einen Grenzwert erreicht, je älter man wird. Stellen wir uns folgende zwei Szenarien vor:

1. Ein Kind im Alter von einem Jahr kann lesen, schreiben und rechnen. Das ist sicherlich verdammt schlau. Um das zu überprüfen, führen wir mit dem Kind einen Intelligenztest durch. Es löst alle Aufgaben richtig und erreicht damit volle Punktzahl mit einem angenommen Intelligenzalter von 300 Jahren. Laut Intelligenzformel betrüge der IQ 30000. Wahnsinn!

2. Ein Mann im Alter von 60 Jahren kann natürlich lesen, schreiben und rechnen. Damit gilt er nicht als sonderlich schlau. Trotzdem will er einen Intelligenztest machen, um sich zu messen. Er löst ebenfalls alle Aufgaben richtig und erreicht damit genauso volle Punktzahl mit einem angenommenen Intelligenzalter von 300 Jahren. Doch  sein IQ betrüge in diesem Fall bloß 500. Das ist im Vergleich zum einjährigen Kind verdammt schlecht, obwohl beide Personen die Aufgaben richtig lösten.

Sind damit Intelligenztests altersdiskriminierend? Viel interessanter ist doch, ob die Lösungen aus den aktuellen Tests auch in Zukunft bei fortschreitender Intelligenz stimmten. Wer weiß, ob nicht 1+1=3 ist, anstatt 1+1=2. Schließlich basiert der mathematische Induktionsbeweis nur auf der Annahme, dass 1+1=2 und folglich 1+2=3, 1+3=4 und so weiter ergibt. Damit bewegt sich die klassische Mathematik mit ihrem Induktionsbeweis auf dem gleichen Niveau wie der mittelalterliche Theologe und Philosoph Anselm von Canterbury, der den vermeintlichen Gottesbeweis erbrachte. Dieser ging ungefähr folgendermaßen: Wenn Gott alles geschaffen und allem innewohnt, dann hat er auch das Gute geschaffen. Und ob nun gut oder böse, alles entfaltet seine Wirkung. Und da wir gottgleich und damit gut sind, wird alles gut und es gibt Gott. Dieser Mann hat ziemlich viel Energie darauf verschwendet, einen Beweis zu erbringen, der in sich nicht geschlossen war. Das jedoch auf eine ziemlich brillante Art und Weise. Vielmehr sollte Anselm von Canterbury froh sein, dass Gott noch nicht gefunden wurde. Nicht auszumalen, zu welch Desillusionierungen das in weiten Teilen der Menschheit führte. Da hilft dann auch keine Theodizee mehr. Unsere Intelligenz brächte uns Menschen dann auch nicht mehr weiter. Und selbst Gedächtnistrainingseinheiten würden überflüssig, weil man nur noch schnell vergessen will.

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