Sonntag, 5. Oktober 2014

Der Frühstücksdirektor



Wenn man sehr früh sehr hoch aufsteigt, hat das seine Nachteile und vielleicht auch seine Berechtigung. Allerdings schrieb Max Weber nicht umsonst von der Militarisierung der Zivilgesellschaft, bei der jeder Arbeiter auf der Karriereleiter stets immer nur eine Stufe aufsteigt. Diese erachtete Weber als wichtig und grundlegend für die deutsche Industrialisierung. Doch es geht auch ohne solche Passageriten à la Arnold van Gennep und Victor Turner.

Das belegt der derzeitige Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann. Am 01. Mai 2011 wurde Weidmann im Alter von gerade einmal 43 Jahren zum jüngsten Bundesbankpräsidenten der Geschichte ernannt. Seitdem bekleidet er ein Amt, das bereits glanzvollere Zeiten gesehen hat. Schließlich besitzt die Bundesbank nicht mehr die gleichen Aufgaben wie vor der Einführung des Euros im Jahr 1999.

Und so versucht sich Weidmann regelmäßig in Wichtigkeit, indem er die Politik der Europäischen Zentralbank kritisiert. Allerdings ist Weidmann selbst Mitglied des EZB-Rats und bestimmt also mit. Und wenn man sich so die Reden und Interviews von Weidmann zu Gemüte führt, stellt man eindeutiges Lehrbuchwissen fest. Das fällt besonders durch den Gebrauch von Allgemeinplazets sowie passivischen Gebrauch von Verben auf. Zweifellos ist der Bundesbankpräsident ein belesener Mann. Doch wenn man sich auf die Analysen und wissenschaftlichen Abhandlungen aus D-Mark-Zeiten bezieht, mutet das etwas komisch an. Scheinbar er glaubt, allein in der Geschichte der Bundesbank die Regelungen und Lösungen zu finden. Er verwechselt also die kapitalistische Marktwirtschaft mit der kapitalistischen Planwirtschaft, wenn er von der Wirtschaft als starres Konstrukt ausgeht.

Allerdings ist es auch schade, wenn man immer mehr in seinen Kompetenzen beschnitten wird. War die Bundesbank früher etwa noch für Leitzinsen und die gesamte Bankenaufsicht zuständig, verabschiedeten sich diese Zuständigkeiten teilweise oder gänzlich zu den Kollegen der Europäischen Zentralbank.

Und so bleibt Weidmann nur noch die Gestaltung der deutschen Euro-Münzen. Das mutet nach Aufgaben eines Frühstücksdirektors an. Da ist es kein Wunder, wenn sich Weidmann immer gern mit Kritik an der EZB in die Schlagzeilen bringt. Doch dazu sollte er fortan in der Problemlösung etwas kreativer sein, als es ihm Geschichtsbücher gebieten. Ständig nur auf die Deflationsgefahr zu verweisen, macht bei den aktuellen Preissteigerungsraten wenig Sinn. Schließlich leben wir ja in einer Marktwirtschaft, bei der Einzelhändler genau erkennt, dass seine Kunden durch höhere Tarifverträge immer mehr verdienen. Und deshalb verlangt der Einzelhändler an der Kasse auch mehr Geld für das Laib Brot. Also keine Gefahr der Deflation!

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